Mitglieder der GRÜNEN LIGA Kohrener Land beschäftigen sich seit dem Jahre 2000 mit der Markierung von Rauchschwalben im Rahmen des internationalen Programms Euring. Die Beteiligung an diesem Programm erfolgte bis 2002 nur sporadisch an wenigen Orten im Kohrener Land. Im Jahre 2003 konnte eine Zusammenarbeit mit dem Institut für Zoologie II der Universität Leipzig gestartet werden. Seit dem Jahr erfolgt die Forschung an der Rauchschwalbe größtenteils im Rahmen eines Praktikums Verhaltensökologie für Biologiestudenten im Hauptstudium. Die Studenten bilden in ihrem Praktikum Teams und bekommen eine Anzahl von Ortschaften innerhalb unseres Untersuchungsgebietes mit einer Größe von 150 km2 im Kohrener Land übertragen. Dort erfassen sie von der Ankunft der Rauchschwalbe im April bis zur letzten Brut alle Brutaktivitäten. So werden Körperdaten wie Flügel- und Schwanzlänge, Fettstatus, Gewicht, brutbiologische Daten wie Ankunft am Brutort, Schlupfrate, Brutdauer, Ausflugrate, aber auch abiotische Daten wie Neststandort, Art der Bewirtschaftung des Umfeldes der Brutplätze erfasst. Diese werden jährlich ausgewertet und die Jahre untereinander verglichen. Die Jungvögel wie auch die Alttiere werden von einem Beringer mit Ringen der Vogelwarte Hiddensee markiert (siehe Beringung). Außerdem findet seit 2005 zur Zugzeit von Ende Juli bis Ende September jeden Jahres ein Fang von Rauchschwalben auf dem Zug am Schlafplatz im NSG Eschfelder Teiche statt.
Die folgenden Fragestellungen stehen innerhalb der Forschung an der Rauchschwalbe im Mittelpunkt des Interesses.

Brutorttreue
Viele Anwohner berichten von "ihren" Schwalben, die Jahr für Jahr in den Ställen und Gebäuden der Höfe brüten. Doch sind es tatsächlich immer die gleichen Schwalben? Lassen sie sich in der Tat voneinander unterscheiden? Brüten die Schwalben wirklich immer am gleichen Ort? Diese Fragen lassen sich nur durch gezielte Beringungen der Rauchschwalben beantworten. Dies geschah und geschieht weiterhin im Kohrener Land. Und es wurde Bemerkenswertes herausgefunden: Brutorttreue ist bei den Rauchschwalben stark ausgeprägt. Von den im Jahr 2005 gefangenen und schon beringten Altvögeln hat nur eine einzige Rauchschwalbe im Vergleich zum Vorjahr den Brutplatz gewechselt! Im Jahr 2004 waren es zwei! Allerdings brüten die Rauchschwalben nicht ihr ganzes Leben lang an einem Ort. Dies ist z.T. auch dadurch bedingt, dass manchmal der alte Brutplatz nicht mehr existiert oder die Schwalben während der Brut ständig gestört werden. Oftmals findet man die Rauchschwalben dann in der näheren Umgebung wieder.

Partnertreue
Wenn die Schwalben an ihrem Brutort festhalten und dahin zurückkehren, ist die Partnerkonstellation auch immer gleich? Nein nicht immer, aber es gibt beeindruckende Ausnahmen! In Neuhof wurde im Jahr 2001 ein Brutpaar beringt, welches auch zwei Jahre in Folge gemeinsam brütete. Das heißt, das Paar war drei Jahre zusammen und war auch drei Jahre am selben Nest. Viele weitere Paare waren zwei Jahre in Folge zusammen. Oftmals konnte auch beobachtet werden, dass nur ein Altvogel am gleichen Nest war und einen anderen Partner hatte. Solche Beobachtungen über die Paarbildung beschränken sich auf einzelne Nester in kleinen Ställen. In größeren Kolonien ist es eher unwahrscheinlich, dass sich die gleichen Partner wieder finden und zudem auch schwieriger nachzuweisen. So treu wie es scheint sind die Rauchschwalben aber wahrscheinlich nicht! Zwar finden sich häufig dieselben Partner wieder, aber es wurde durch einige Wissenschaftler nachgewiesen, dass auch Rauchschwalben fremdgehen! Dafür wurden u.a. in Dänemark Vaterschaftstests durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass 73 von 261 jungen Rauchschwalben einen anderen Vater haben als wie den Partner der Mutter. [MOELLER AND TEGELSTRÖM 1997] Untersuchungen in Spanien zeigten, dass 120 von 674 jungen Rauchschwalben das Ergebnis von "Fremdgehen" sind. [MOELLER ET AL. 2002] In unserem Gebiet wurden solche Untersuchungen leider noch nicht durchgeführt, da diese sehr aufwändig und kostenintensiv sind. Aber warum sollte es ausgerechnet hier anders sein?

Wiederansiedlungen
Wenn fast alle Altvögel an ihr Nest zurückkehren und oftmals auch den gleichen Partner haben, stellt sich häufig die Frage, wo sich denn die Jungvögel ansiedeln! Doch bis es soweit ist, müssen die kleinen Rauchschwalben gefährliche Phasen meistern. Dabei sind die ersten Tage nach dem Ausfliegen die gefährlichsten im ganzen Schwalbenleben: Nur etwa die Hälfte der Jungschwalben überleben durch ihre Unerfahrenheit den ersten Monat. Wenn sie diese Zeit jedoch überstanden haben, steht ein langer Zug nach Afrika ins Winterquartier bevor. Nur jeder zweite Jungvogel kehrt von seiner ersten Reise nicht mehr zurück [GRÜEBLER]. Die, die jedoch alle schwierigen Etappen gemeistert haben, siedeln sich oftmals in der näheren Umgebung wieder an. Die Durchschnittsentfernung vom Geburtsort beträgt bei juvenilen Rauchschwalben im Untersuchungsgebiet Kohrener Land im Jahr 2005 2,5km. Dabei war die naheste Entfernung 1,5km und die weiteste 6km. Allerdings liegen die Wiederfundraten von Jungvögeln im untersuchten Gebiet unter 1%, während es bei den Altvögeln etwa 25-30% sind.

Brutdauer nicht nur Kälte- sondern auch Hitzabhängig
Fast jeder weiß, dass Insekten ab einer bestimmten Temperatur in eine Kältestarre verfallen oder einige Tiere Winterschlaf halten. Doch wem ist so was schon von Vögeln bekannt? Aber auch junge Nesthocker können kurzzeitig eine gewisse Abkühlung vertragen. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass beispielsweise junge Mauersegler in eine Kältestarre verfallen können. Somit können die Eltern das Nest einige Zeit verlassen um genügend Nahrung zu finden. Auch bei Zwergdommeln und Ziegenmelkern ist dieses Phänomen bekannt. Schwalben können in Kältestarre wenige Tage überleben, gehen aber bei längerer Kältedauer zugrunde. Echter Winterschlaf ist bei der Amerikanischen Nachtschwalbe nachgewiesen worden. Sie kann so mehr als 100 Tage überleben [SCHILDMACHER 1982]. Nun stellt sich die Frage, was passiert eigentlich bei großer Hitze? Im Jahr 2003 konnte bei einigen Nestern beobachtet werden, dass sich die Entwicklung der Jungvögel in der extrem heißen Phase des Sommers stark verzögerte. Dies äußerte sich darin, dass beim visuellen Einschätzen des Alters der Jungvögel im Abstand von ca. einer Woche kein merklicher Unterschied zu beobachten war. Momentan wird davon ausgegangen, dass dieses Phänomen auf eine Verlangsamung des Stoffwechsels zurückzuführen ist. Ob dies nun aber die Ausnahme oder eher die Regel bei großer Hitze ist, ist bislang weitgehend unerforscht.

Viele Insekten - viele Brutpaare
Die Auswahl des Brutortes bzw. Neststandortes wird maßgeblich durch das Nahrungsangebot bestimmt. In Ställen, wo "Belästigungen" durch Insekten vermieden werden sollen, werden gedankenlos Klebestreifen aufgehängt oder Insektizide gespritzt. Doch damit nimmt man den Schwalben jegliche Nahrungsgrundlage. Wer glaubt draussen werden genug Insekten gefangen, der irrt. Auch in den Ställen fangen Schwalben Nahrung und können somit auch zur Verminderung der "Insektenbelästigung" beitragen. Gerade deswegen findet man in großen Stallanlagen immer wieder große Schwalbenkolonien. Durch das reichhaltige Nahrungsangebot ist die Konkurrenz unter den Schwalben weitaus geringer als in kleinen Ställen. Außerdem stellen die Klebestreifen eine große Gefahr für flügge ungeübte Vögel dar. Wenn sie erst einmal daran kleben bleiben, haben sie keine Chance mehr sich selber zu befreien.

Man kann Nester umkleben
Rauchschwalbennest
Rauchschwalbennest in Ossa bei Fam. Reichenbach
Viele Nester sind durch mangelndes Baumaterial und durch schlechten Untergrund absturzgefährdet. Dies ist aber kein Grund zur Panik! Mit einfachen Mitteln kann man den Rauchschwalben helfen! Am einfachsten ist es, unter das Nest eine Unterlage anzubringen. Dadurch erhält das Nest eine Stütze und kann nicht herunterfallen. Wählt man eine etwas größere Unterlage, lassen sich sogar Verunreinigungen durch den Kot vermeiden. Es ist aber auch möglich, ein hartes und festes Nest anzunageln. Eine weitere, selbst erprobte, Methode ist, das Nest mit Gips an die Wand zu kleben. Dadurch hängt das Nest wieder sicher und die Schwalben können dort brüten. Wer sich Schwalben auf dem Hof wünscht, diese aber nicht genügend Baumaterial finden, kann nachhelfen. Ein von Menschenhand angehängtes Nest wird auch angenommen. Ein solches Nest kann man zum Beispiel aus großen Kolonien in den Wintermonaten entfernen und an einen neuen Ort hängen. Somit hat man ein natürliches Nest und kann z.B. auf ein Kunstnest aus dem Fachhandel verzichten.

Leitungen
Viele Anwohner berichten, dass die Zahl der Schwalben zurückgegangen ist, seit viele Leitungen (Telefon, etc.) unterirdisch verlegt werden. Auch gibt es einige Äußerungen, dass die Leitungen zu dick sind und Rauchschwalben nicht richtig darauf sitzen können. Dem kann man aber Abhilfe schaffen. Die Schwalben sind sehr dankbar wenn man ihnen über den Hof Drähte zieht, auf denen sie sitzen können. So hat ein kleiner Aufwand einen großen Nutzen!

Schlafplatz - Wiederfunde aus dem ganzen Beringungsgebiet
Kurz vor ihrem Rückzug nach Afrika sammeln sich junge und alte Rauchschwalben meist zu hunderten an so genannten Schlafplätzen. Diese befinden sich oft im Schilf, aber auch z.B. in Maisfeldern direkt an oder in der Nähe von Teichen. In unserem Untersuchungsgebiet befindet sich ein solcher Schlafplatz im NSG Eschefelder Teiche, in der Nähe von Frohburg, am Nordufer des Ziegelteichs. Hier wurden ab der Mitte der Brutsaison bis zur Aufgabe des Schlafplatzes, mehrere Kontrollen durchgeführt. Dabei konnten an 7 Abenden insgesamt 133 Rauchschwalben gefangen werden. Davon waren 122 junge Rauchschwalben und nur elf waren Altvögel. Insgesamt wurden drei Wiederfunde gemacht. Besonders interessant ist ein Wiederfund der zwei Jahre zuvor etwa 10km entfernt als Jungvogel beringt wurde. Die beiden anderen Wiederfunde wurden während der Brutsaison 2005 im benachbarten Ort als Jungvögel beringt.
Solche Kontrollen an Schlafplätzen sind notwendig, um auch Bewegungen des Vogelzugs zu erfassen. Es ist durchaus denkbar, dass einige Schwalben bereits auf dem Zug sind und an den Schlafplätzen Rast machen.
Im Teichgebiet bei Trebbichau (Kreis Köthen, Sachsen-Anhalt) befindet sich ein Schlafplatz der Rauchschwalben mit mehreren Tausend Vögeln. Damit dürfte es sich mit um einen der größten Schwalbenschlafplätze in Deutschland handeln. An einem Kontrollfang im Jahr 2005 konnte dort eine kroatische Schwalbe gefangen werden. [Ingolf Todte]

Quellen
MOELLER AND TEGELSTRÖM 1997
Extra-pair paternity and tail ornamentation in the barn swallow Hirundo rustica. Behav Ecol Sociobiol 41: 353-360

MOELLER ET AL. 2002
Extrapair paternity in relation to sexual ornamentation, arrival data, and condition in a migratory bird. Behavioral Ecology Vol. 14 No. 5: 707-712

GRÜEBLER
Brutstrategien der Rauchschwalben. (Doktorarbeit)

SCHILDMACHER, H. 1982
Einführung in die Ornithologie. 1. Auflage. Gustav Fischer Verlag Stuttgart, New York. ISBN 3-437-20266-9

Weitere Informationen
BROMBACH, H. 2004
Die Rauchschwalbe. 1. Auflage. Die Neue Brehm Bücherei Bd. 649 Westarp Wissenschaften. Hohenwarsleben